Zukunft Mittelstand

Zurück in die Zukunft. Ein Weckruf aus der Wirtschaft

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AdobeStock, frank peters

Mit Technologieoffenheit und grünen Molekülen zu mehr Klimaschutz

1. Oktober 2024

Moleküle machen in Deutschland derzeit rund 80 Prozent der Energieversorgung aus. Experten und diverse Studien stimmen darin überein, dass Moleküle auch zukünftig unverzichtbar für die deutsche Energieversorgung sein werden. Der von der Politik aktuell forcierte Ansatz, im Rahmen der Energiewende in den Sektoren Verkehr, Gebäuden und Industrie maßgeblich auf Elektronen zu setzen, bringt erhebliche Herausforderungen wie weitere Kostensteigerungen sowie Risiken wie eine mögliche Grünstromlücke in 2045 mit sich.1vgl. Frontier Economics: Verfügbarkeit und zielführender Einsatz von in Deutschland hergestelltem erneuerbaren Strom, 2023

Ebenfalls unstrittig ist: Die Bundesrepublik ist Energieimporteur und wird es auch zukünftig bleiben. Das gilt auch und vor allem, wenn das Land ab spätestens 2045 klimaneutral sein möchte, also kein fossiles CO2 mehr in die Atmosphäre emittiert werden darf. Den Energiebedarf allein aus Wind- oder Sonnenenergie Made in Germany bestreiten zu können, ist angesichts der geografischen Gegebenheiten und des Energiebedarfs eines (hoffentlich auch zukünftig noch) Industriestandorts ausgeschlossen. Wir benötigen also weiterhin Moleküle in der Energieversorgung, wenngleich die bislang fossilen nach und nach durch erneuerbare ersetzt werden müssen. Es spricht viel dafür, dass diese grünen Moleküle zukünftig vor allem in Regionen der Welt erzeugt werden, wo Wind- und Sonnenenergie im absoluten Überfluss vorhanden sind. In Form von Wasserstoff und – aufgrund diverser Vorteile wie guter Speicherbarkeit und Transportierbarkeit – vor allem als dessen flüssigen Derivate können sie von diesen günstigen Gestehungsstandorten etwa in Südamerika oder Australien nach Deutschland exportiert werden.

Diese Erzeugnisse aus erneuerbaren Energien sind als klimafreundliche Kraft- und Brennstoffe unverzichtbar, möchten wir hierzulande die ambitionierten Klimavorgaben schaffen und gleichzeitig unseren Wohlstand erhalten sowie die Energieversorgungssicherheit gewährleisten. Allein mit hierzulande gewonnenen grünen Elektronen und Direktstromanwendungen kann die Energiewende, schon aufgrund der nicht zu jeder Tages-, Nacht- und Jahreszeit ausreichenden Wind- und PV-Strommengen sowie wegen fehlender Netzinfrastrukturen und Speichermöglichkeiten, nicht gelingen. Ein Energiemarkt basierend nur auf Flatterstrom, der von Unternehmen verlangt, ihre Produktionsprozesse an einem volatilen Energieangebot auszurichten, ist das Gegenteil dessen, was ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort zum Überleben benötigt.

Nicht nur Vertreter der Energiewirtschaft und der Industrie zeigen sich skeptisch gegenüber dem politisch vorgegeben Prinzip, in Zukunft einzig auf Elektrifizierung zu setzen, sondern auch die Verbraucher reagieren zurecht zurückhaltend. Im Verkehrsbereich zeigt sich, dass frühe Warnungen der UNITI als Vertreterin des Energiemittelstands in der Regulatorik einseitig auf „All electric“ zu setzen, berechtigt waren. So ist die Nachfrage nach neuen batteriebetriebenen Elektro-Pkw in Deutschland geradezu eingebrochen. Bei Fahrzeugherstellern, die sich von der Regulatorik haben treiben lassen und sich – bis auf wenige Ausnahmen – zumeist lange Zeit nicht für grüne Kraftstofflösungen gegenüber der Politik eingesetzt haben, herrscht nun Panik angesichts der harten Erkenntnis, dass viele Autofahrer an der bewährten Verbrennertechnik festhalten möchten. Denn teure Elektrofahrzeuge und mit diesen verknüpfte Nachteile wie weiterhin zu geringe Reichweiten erfüllen die Bedürfnisse der breiten Masse der Autofahrer nicht. Selbiges erleben wir im Heizungsmarkt. Auch hier misstrauen viele Verbraucher den Verheißungen der Wärmepumpe, die gerade beim Einbau in ältere Bestandsimmobilien häufig mit teuren zusätzlichen Dämm- und Umbaumaßnahmen verbunden ist. Kein Wunder also, dass die Ölheizung aktuell ein Comeback erlebt, zumal sie dank flüssiger Brennstoffe eine sichere, dezentrale Wärmeversorgung für die Verbraucher ermöglicht. Wenn Regulierung und Marktakteure an den Wünschen und Bedürfnissen der Verbraucher vorbeiagieren, ist Scheitern vorprogrammiert. So beweisen diese Entwicklungen, wie wichtige erneuerbare Energieträger sind, mit denen sich die von den Kunden nachgefragten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder besagte Ölheizungen klimaschonend betreiben lassen.

Die Unternehmen des Energiemittelstands haben immer wieder bewiesen, dass sie sich wandelnden Rahmenbedingungen und sich fortentwickelten Anforderungen – seien es von Seiten der Politik oder der Kunden – nicht nur mit Erfolg anpassen können, sondern mit Zuversicht und Dank zupackenden Unternehmertums den Fortschritt selbst aktiv mitgestalten können. Derzeit muss leider konstatiert werden, dass sowohl der deutsche als auch der europäische Gesetzgeber auf eine Regulatorik setzt, die es Unternehmen nahezu unmöglich macht, dem Zieldreieck der Energiewende aus Klimaschutz, Versorgungssicherheit sowie Bezahlbarkeit gerecht zu werden. Ein rascher und entschlossener Kurswechsel wäre daher nötig, damit die Energiewende eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung findet und die Unternehmen im Inland wirtschaftlich tragfähig arbeiten und international konkurrenzfähig bleiben können. Der Schlüsselbegriff dafür lautet Technologieoffenheit. In der Praxis heißt das, die Politik gibt ein Ziel vor, etwa Klimaneutralität bis 2045, und sorgt mit geeigneten Rahmenbedingungen dafür, dass ein fairer Wettbewerb um die besten Ideen und Konzepte zur Erreichung des Ziels sichergestellt ist. Selbiges muss in der Phase der Umsetzung der Konzepte gelten. Eine starre politische Vorfestlegung auf einen bestimmten Technologiepfad oder der Versuch, diesen durch einseitige regulatorische Vorgaben und gegen die Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher auf Biegen und Brechen durchzusetzen, ist dagegen wenig erfolgversprechend, wie es exemplarisch im Verkehrssektor bei der Elektromobilität zu beobachten ist.

Rund um die Europawahlen kletterte das von der EU-Kommission vorangetriebene europaweite Zwangsaus für neue Verbrenner-Pkw ab dem Jahr 2035 auf einen Spitzenplatz der öffentlichen Agenda. Die wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihren Leitlinien für die neue EU-Kommission angekündigt, dass das System der Flottenregulierung überarbeitet wird. Notwendig wäre dabei vor allem, endlich auf eine Bilanzierung der CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs und der verwendeten Antriebsenergie zu setzen. Damit würde regulativ ein Beitrag zu mehr Technologieoffenheit geleistet, denn Verbrennungsmotoren, die klimaschonend mit erneuerbaren Kraftstoffen betrieben werden, könnten dann in einem fairen Wettbewerb mit alternativen Antriebskonzepten wie der Elektromobilität um die Gunst der Kunden konkurrieren.

Das allein reicht aber natürlich noch nicht, denn das „All Electric“-Denken ist in zahlreichen nationalen und europäischen Regeln mittlerweile tief verankert, während der Verbrenner, dessen CO2-Bilanz im Fahrbetrieb de facto (ebenso wie der des E-Autos) von der Herkunft (fossil oder erneuerbar) der für das Fahren eingesetzten Energie abhängt, darin gerne per se als Klimasünder behandelt wird. Das Erreichen der Klimaziele im Verkehr wird aber nur gelingen, wenn passende Rahmenbedingungen und damit diskriminierungsfreie Regulierungen gegeben sind, die einen wirtschaftlichen Hochlauf von erneuerbaren Kraftstoffen wie E-Fuels ermöglichen. So tritt UNITI dafür ein, Produktionsvorgaben von E-Fuels deutlich anwendungsfreundlicher zu gestalten. Die globale Produktion und der Import von Wasserstoff und dessen Derivaten in die EU müssen für Investoren und Kunden wirtschaftlich attraktiv sein und dürfen nicht durch unsichere und teils nicht erfüllbare Vorgaben verhindert werden. Notwendig wäre es auch, die Energiesteuer auf erneuerbare Kraftstoffe zu senken, etwa indem eine Besteuerung nach dem Klimaschutzbeitrag erfolgt: National – oder noch besser EU-weit – sollte der Einsatz grüner Kraftstoffe mit einem ermäßigten Energiesteuersatz angereizt werden. Auch sollte die derzeitige Energiewende-Strategie, die in ihrer jetzigen Ausrichtung zur Grünstromknappheit führt und dennoch eine Vollelektrifizierung des Verkehrs vorsieht, deutlich stärker den nationalen Importbedarf grüner Moleküle zum Beispiel in Form von E-Fuels in den Mittelpunkt stellen.

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